Jeder Fünfte leidet in der Bundesrepublik Deutschland einmal im Leben an einer Depression. Welche Auswirkungen hat die Krankheit auf das Familienleben? Was passiert mit den Kindern von Menschen, die an Depressionen erkrankt sind?

Kinder psychisch kranker Eltern gelten als Hochrisikogruppe. Die Gefahr, dass ein solches Kind ebenfalls psychisch erkrankt, ist besonders groß. Depression ist für Kinder nicht mehr als ein leeres Wort. Eltern mag es schwerfallen, über die Krankheit zu sprechen und ihr damit ein Gesicht zu geben. Das Familienleben kann mitunter sehr belastend sein, wenn die Kinder möglicherweise versuchen, selbst Verantwortung für ihre betroffenen Eltern zu übernehmen. Wie kann man einem Kind schon erklären, was in der Mutter oder dem Vater vorgeht? Und mit wem können Kinder und Jugendliche sprechen, wenn sie erst einmal begreifen konnten, was Depression überhaupt bedeutet? Keine leichte Situation.

Das Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg schafft seit März 2015 mit einem bisher einmaligen Projekt in Deutschland Abhilfe. „Kidstime-Workshops“, einst in den 1990er Jahren von Dr. Alan Cooklin und seinem Team in London entwickelt, helfen Kindern und deren psychisch erkrankten Eltern. Die Bedürfnisse der Kinder werden dabei in den Vordergrund gerückt.

Aus Sicht der Robert-Enke-Stiftung stellen die Workshops ein sehr hilfreiches Unterstützungsangebot dar, weshalb das Projekt bereits zum Start sowie im September 2016 finanziell unterstützt wurde. Die Niedersächsischen Ministerien für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, die Apothekerkammer Niedersachsen sowie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen sehen ebenfalls den Mehrwehrt, den dieses bislang einmalige Angebot in Deutschland bietet. So wurden die „Kidstime-Workshops in Rotenburg“ am 28. November 2016 im Alten Rathaus in Hannover mit dem Niedersächsischen Gesundheitspreis in der Kategorie „Chronische Erkrankungen besser versorgen – Lebensqualität fördern“ prämiert.

Das Konzept von „Kidstime“ beruht auf einem multifamilientherapeutischen Ansatz. In den Workshops kommen Familien mit gleichen Problemen zusammen, was die Kommunikation über die oftmals tabuisierte Krankheit erleichtern und damit einen Erfahrungsaustausch ermöglichen soll.

In den Workshops eingeführte Metaphern wie zum Beispiel „Der Filter ist kaputt“ sollen dabei helfen auch die Kommunikation mit den Kindern über das Thema zu erleichtern. So würde ein „funktionierender Filter“ etwa bedeuten, dass das Gehirn alles aufnehmen und verarbeiten kann. Ist dieser Filter allerdings kaputt, kann er das Gehirn dabei nicht mehr unterstützen. Als Konsequenz treten Verhaltensweisen bei dem betroffenen Elternteil auf, dem die Kinder nun einen Ursprung zuordnen können. Solch ein Sprachgebraucht kann die Situation für Kinder vereinfachen und einer Erklärungsnot der Eltern kann vorgebeugt werden.

Zudem findet eine Vernetzung der Familien statt, womit eine etwaig auftretende Isolation, durch die Stigmatisierung der Krankheit und dadurch hervorgerufener Scham der Betroffenen, bekämpft werden kann.

Während mit den Eltern vorrangig in Gesprächen und Gruppendiskussionen gearbeitet wird, werden die Kinder und Jugendlichen getrennt von der Gruppe betreut. Hier sorgen Kindertherapie und Theaterpädagogik für eine lockere und humorvolle Atmosphäre. Spaß und Freude kommen also nicht zu kurz und die kindlichen Bedürfnisse werden in den Mittelpunkt gestellt.

Trotz des Einsatzes von Elementen verschiedenster Therapien, wie der Systemischen und der Multifamilientherapie, verstehen sich die Workshops nicht als therapeutische Behandlung. Vielmehr soll ein geschützter Rahmen geboten werden, in dem man sich als Familie in einer offenen Atmosphäre über psychische Erkrankungen austauschen kann. Vertraulichkeit hat höchste Priorität und jeder kann frei entscheiden, wem er sich anvertrauen und mit wem er sich austauschen möchte. Zur Verfügung stehen dabei Fachleute aus verschiedensten Bereichen, welche allerdings eher als feste Ansprechpartner und Bezugspersonen in Erscheinung treten. Ziel dabei ist es, den Workshop so zu gestalten, dass es möglichst einfach ist über seine Probleme zu sprechen.

Die „Kidstime-Workshops“ werden kostenlos angeboten und finden in der Regel an jedem letzten Freitag im Monat in der Zeit von 16.00 bis ca. 18.45 Uhr statt. Nähere Informationen finden Sie unter http://www.diako-online.de/Kidstime.8304.0.html.

Wir wünschen dem Team des Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg weiterhin viel positive Resonanz auf die Workshops und hoffen, dass dieses Angebot bald auch in anderen Regionen realisiert werden kann. Die Nachfrage von anderen Institutionen nach Hospitationen und der Verbreitung der Methode besteht bereits.