Das Ziel des Projekts „2Steps4Health“ ist die Förderung der psychischen Gesundheit von Nachwuchsleistungsathlet:innen (bis 21 Jahre). Mit Hilfe der Entwicklung, Evaluation und langfristigen Implementierung eines zweistufigen Präventionsprogramms soll depressiven Symptomen von jungen Leistungsathlet:innen vorgebeugt, diese frühzeitig erkannt und bei Vorhandensein psychotherapeutisch behandelt werden. Das zweistufige Präventionsprogramm besteht aus einer universellen Prävention (Stufe 1) und einer indizierten Prävention (Stufe 2).
In Stufe 1 (universelle Prävention) wird den Athlet:innen durch drei 3-stündige Workshops grundlegendes Wissen zu depressionsrelevanten Themen wie Stress und Stressverarbeitung, Kommunikation und Interaktion sowie zu physiologische Bedingungsfaktoren vermittelt (Thema gesunder Lebensstil: Ernährung, Schlaf, Regeneration, Bewegung und Entspannung). Gemeinsam mit der Wissensvermittlung steht v.a. die Entwicklung und Übung von Strategien zur praktischen Umsetzung im sportlichen und privaten Alltag im Vordergrund.
Stufe 2 (indizierte Prävention) richtet sich an Nachwuchsleistungsathlet:innen mit erhöhten psychischen Beanspruchungen. Den Teilnehmenden dieser Stufe werden im Rahmen von 13 Gruppensitzungen á 100 Minuten Strategien vermittelt, die sie zu einer effektiveren Stress- und Emotionsregulation befähigen und ihre sozialen Kompetenzen, ihr Selbstwertgefühl sowie eine nicht-sportbezogene Identität stärken sollen. Die Inhalte aus Stufe 1 werden hier mithilfe etablierter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Methoden vertieft.
Während Stufe 1 für alle Nachwuchsleistungsathlet:innen gedacht ist, richtet sich Stufe 2 speziell an Athlet:innen, die bereits erhöhte Belastungssymptome wie bspw. Depressivität, Trauer, Angst, Stress oder Selbstzweifel berichten (siehe Punkt 3.4 Zielgruppe). Zudem können auch objektive Kriterien (z.B. Dropout, Verletzung, Vereins- /Jahrgangswechsel, persönliche Krise) zu einer Indikationsstellung führen.
Das zweistufige Präventionsprogramm soll anhand einer Gesamtstichprobe von mind. N = 120 im Rahmen von drei Arbeitspaketen (AP) – Entwicklung der Inhalte (AP 1), Evaluierung der Inhalte (AP 2), Transfer und langfristige Implementierung (AP 3) – durchgeführt und evaluiert werden. Bereits geleistete Vorarbeiten sowie unsere Kooperationspartner (beide s. Anhang) unterstützen den Start und die Umsetzung des Projektes. Entsprechend der AP ergeben sich drei konkrete Ziele:
Ziel 1: Förderung der psychischen Gesundheit, Reduktion depressiver und belastungsbezogener Symptome bei Nachwuchsleistungsathlet:innen
Ziel 2: Entwicklung wirksamkeitsbasierter, nachhaltiger Präventionsmaterialien beider Stufen zum langfristigen Einsatz in den Trainingsalltag von Nachwuchsleistungsathlet:innen
Ziel 3: Verbreitung und Weiterentwicklung der Materialien über den projektbezogenen Wirkkreis sowie Verstetigung und Erweiterung der Forschungs- und Praxiskooperationen.
Besonders Nachwuchsleistungsathlet:innen zeigen eine erhöhte Vulnerabilität für psychische Störungen, welche sich z.B. in signifikant höheren Prävalenzraten im Vergleich zu erwachsenen Leistungssportler:innen widerspiegelt (z.B. Frank et al., 2013; Junge & Feddermann-Demont, 2016; Jensen et al., 2018). Speziell das Thema “Depressionen” hat durch die Bekundung einzelner Athlet:innen an gesellschaftlicher Beachtung gewonnen. Die Forschung zeigt, dass sich bei einem frühen Krankheitsbeginn häufiger eine erhöhte Wiedererkrankungsrate sowie ein erhöhter Schweregrad der depressiven Störung zeigen (Pietsch et al., 2012).
Eine Chronifizierung depressiver Episoden steht u.a. im Zusammenhang mit Suizidalität. Daher sollten bestehende psychische Belastungen und Beanspruchungen möglichst frühzeitig erkannt und entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten verfügbar gemacht werden. Es existieren verschiedene empirisch abgesicherte Modelle zur Entstehung von depressiven Symptomen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (z.B. Cicchetti & Toth, 1998; de Jong-Meyer, 2005; Groen & Petermann, 2011; Mc.Cauley et al., 2001; Thombansen, 2016). In Bezug auf Leistungsathlet:innen zeigen sich die folgenden Faktoren besonders einflussreich: negatives Selbstschema und verminderte/r Selbstwert/Selbstwirksamkeit, dysfunktionale Stress- und Leistungsdruckbewältigung und Emotionsregulation, mangelnde soziale Kompetenzen, negative soziale Beziehungen.
Es soll bei dem Präventionsprogramm einige zentrale Faktoren adressieren, die besonders für die psychische Gesundheit von Nachwuchsleistungsathlet:innen relevant sind und in verschiedenen Depressionsmodellen benannt werden. Hierzu gehören: selbstwert- und identitätsrelevante Veränderungen oder Belastungen, z.B. Verletzung, Ausschluss aus Leistungskader, schwieriges familiäres Ereignis (Thombansen, 2016; de Jong-Meyer, 2005), ständiger Stress und Leistungsdruck als Belastungsfaktoren dualer Karrieren (Groen & Petermann, 2011; Thombansen, 2016) und soziale Belastungen oder problembehaftete Beziehungen zw. Konkurrent:innen, Trainer:innen und/oder Athlet:innen (z.B. Mc.Cauley et al., 2001; Cicchetti & Toth, 1998; Groen & Petermann, 2011). Unser Präventionsprogramm soll die Sportler:innen zu einer effektiveren Stress- und Emotionsregulation befähigen (vgl. Cicchetti & Toth, 1998; Groen & Petermann, 2011) und sie unterstützen, besser mit schwierigen, (außer)sportlichen Problemsituationen umzugehen (vgl. Mc.Cauley et al., 2001). Hierzu soll der Fokus unter anderem auf der Stärkung der sozialen Kompetenz, der Erhöhung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit sowie der Identitätsbildung liegen (vgl. Cicchetti & Toth, 1998; Mc.Cauley et al., 2001; Groen & Petermann, 2011; de Jong-Meyer, 2005). In Stufe 1 soll zudem ein bio-psycho-sozialer Präventionsansatz verfolgt werden, wonach auch physiologische Aspekte thematisiert werden, die einen Beitrag zur psychischen Gesundheit leisten (z.B. Ernährung, Regeneration und Schlaf, Bewegung und Entspannung; Reardon et al., 2019). Dies soll im Rahmen von drei Arbeitspaketen (AP) erfolgen.
Im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen soll die langfristige Fortführung und Weiterentwicklung des zweistufigen Präventionsprogramms geplant und in den Trainingsalltag implementiert werden. Zudem bestehen bereits jetzt Überlegungen die Zielgruppe Trainer:innen ebenfalls zu involvieren (vgl. Pilotprojekt Trainer:in-Athlet:in-Kommunikation mit sächsischen Trainer:innen (Walter et al., 2022), geplante Trainer:innen-Workshops im Rahmen des LIFENET-Projekts ab September 2022.
Zum erweiterten Transfer- und Disseminationskonzept gehören wie in AP 3 dargestellt die Erstellung nachhaltiger Trainingsmanuale für die beiden Stufen. Über das Projekt 2Steps4Health und speziell über die Ergebnisse wird die Sportpraxis und die Wissenschaftscommunity informiert (z.B. Tagungen, Kongresse, Leistungssportkonferenzen). Denkbar ist zudem die Übertragung von Erkenntnissen auf andere Gebiete oder Organisationen (weitere Bundesländer).
Der Vorstand der Robert-Enke-Stiftung hat den Beschluss gefasst, 27.500 Euro der Gesamtfinanzierung in Höhe von 43.500 Euro zu genehmigen. Denn das Anliegen betrifft ein prioritäres Ziel der RES, die Seelische Gesundheit im Nachwuchsleistungssport zu verbessern. Hierfür werden schlüssige und pragmatische Ansätze vorgestellt. Unter anderem wird auch das breite Spektrum an Kooperationspartner/-vereinen aus der Praxis gelobt.
Die ersten Ergebnisse sind für das Jahr 2024 vorgesehen.