Im Bereich ihres Stiftungszweckes Kinderherzkrankheiten stellt die Robert-Enke-Stiftung der Charité Berlin 9.204,40 Euro zur Verfügung, um die Studie ,,Einsatz der Aktigraphie zur Quantifizierung von Delir, Entzugssyndrom und Sedierungstiefe bei Kindern (Pl-Q)“ durchzuführen, um die Frage zu prüfen, wie sich sich die Aktigraphie als neues Instrument zur Quantifizierung von Delir, Entzugssyndrom und der Sedierungstiefe bei Kindern einsetzen lässt.
Delir, Entzugssyndrom und Untersedierung sind bedeutende Komplikationen einer intensivmedizinischen Behandlung. Sie verlängern den Aufenthalt auf der Kinderintensivstation und verschlechtern den Outcome. Insbesondere Kinder nach kardiochirurgischer Versorgung haben mitunter einen langanhaltenden Sedierungsbedarf, der zu einem ausgeprägten Entzugssyndrom mit entsprechender Verlängerung der Intensiv-Aufenthaltsdauer und Verschlechterung des Outcomes führt. Bei Säuglingen und Kleinkindern, die Symptome nicht verbal kommunizieren können, erfolgt die Diagnostik zu diesen Komplikationen schwerpunktmäßig visuell durch Krankenbeobachtung. Der Goldstandard zur Messung des Ausmaßes von Delir, Entzugssyndrom oder der Sedierungstiefe liegt in der Erhebung semiquantitativer Scores wie des Cornell Assessment of Pediatric Delirium (CAPD) score, der Comfort behaviour (COMFORT-B) scale, der Sophia Observation withdrawal Symptoms (SOS) scale oder der Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS). Diese bilden Symptome wie Wachheit, Extremitäten-Bewegungen und körperliche Unruhe ab. Die Erhebung dieser Scores erfolgt jedoch diskontinuierlich, ist zeitaufwändig und entspricht einer subjektiven Einschätzung der Untersuchenden.
Daher besteht ein dringender Bedarf nach diagnostischen Mitteln, die eine kontinuierliche und Untersucherunabhängige Diagnostik erlauben. Die Aktigraphie ist ein ideales Instrument zur Quantifizierung von Symptomen des Delirs oder Medikamentenentzugs – wie abnormer Körperbewegungen, Agitation, Tremor und eines veränderten Schlaf-Wach-Rhythmus. Ein Beschleunigungssensor an einer Extremität zeichnet dabei hochsensitiv Patientenbewegungen auf. Mittels der Aktigraphie kann eine diagnostische Lücke der etablierten Scores gefüllt und so die Steuerung von Deliriherapie, Sedierung und Sedierungsweaning auf der Kinderintensivstation verbessert werden, auch und insbesondere bei kinderkardiochirurgischen Patient-innen. Zwei systematische Reviews geben Hinweise, dass die Aktigraphie bei intensivmedizinisch betreuten Erwachsenen als diagnostisches Instrument für Delir oder Narkosetiefe in Frage kommt.
Eine durch den Antragsteller durchgeführte systematische Recherche zur Aktigraphie bei Kindern fand eine Pionierarbeit, die postoperativ Veränderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus bei Kindern aktigraphisch untersuchte. Die Recherche zeigte jedoch, dass die Erprobung der Aktigraphie als diagnostisches Instrument auf der Kinderintensivstation gerade erst begonnen hat. Dabei erscheint die Aktigraphie speziell im Einsatz bei Kindern bis zum Kleinkindalter auf Grund der eingeschränkten verbalen Kommunikation als besonders wertvolles diagnostisches Instrument. Der Antragssteller hat mit dem Bewegungssensor ActiGraph GT9X Link Pilotmessungen an Patient-innen der Kinderintensivstation (Alter < 6 Jahre) durchgeführt. Die erhobenen Messdaten zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen Patient-innen mit und ohne Entzugssyndrom. Sie legen nahe, dass wir mittels Aktigraphie das Ausmaß eines Entzugssyndroms quantifizieren können.
Ziel des Projektes ist die Etablierung der Aktigraphie (Beschleunigungsmessung an Hand-/Fußgelenk als Bewegungsmonitor) als zusätzliche diagnostische Modalität zur Quantifizierung von Delir, Entzugssyndrom und Sedierungstiefe bei Säuglingen und Kleinkindern. Dazu sollen in einer prospektiven diagnostischen Studie geeignete Analysemethoden der aktigraphischen Rohdaten gefunden werden. Mittels Ermittlung des am besten geeigneten Verfahren der Rohdatenanalyse sollen bereits verfügbare Medizinprodukte (aktigraphische Bewegungssensoren) direkt für den klinischen Einsatz nutzbar gemacht werden, um Sedierung und Delir-/Entzugstherapie besser steuern zu können. Hiervon ist eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation, eine Reduktion von Behandlungskosten und eine Verringerung der Morbidität zu erwarten.
Die Vorstandsmitglieder der Robert-Enke-Stiftung erachten es als ein interessantes und ambitioniertes Projekt mit einer (positiven) Auswirkung auf die intensivmedizinische Versorgung herzkranker Kinder. Der pragmatische Forschungsansatz für ein nachvollziehbares klinisches Problem bietet eine gute Transfermöglichkeit in die Kliniken.